Amnesia
Seit gestern bin ich in Cochabamba und habe seit langem mal wieder warme Naechtem denn Cochabamba liegt nur 2500 m hoch und hat den Beinamen "Stadt des ewigen Fruehlings", weil das Klima hier sehr angenehm ist. Nachdem ich nach meiner Bergtour etwas krank war, bin ich nun wieder gesundet.

Der Markt auf den Bildern in der Gallerie "La Paz" ist in El Alto und ist kein Markt fuer Turisten, sondern fuer die Einheimischen, wo sie ihre Sachen kaufen. Das war schon interessant; im Bereich "Autoersatzteile"  gab es so viele Teile, dass man sich glaube ich ein komplettes Auto haette bauen koennen. Nachher waren wir (Chris aus England und ich) noch beim Wrestling. Auf den Bildern aus einer Zeitschrift, die wir vorher gesehen haben, floss Blut; in Wirklichkeit war es mehr eine Mischung aus Wrestling und Zirkus, besonders bei den Frauen. Da wurde das Publikum schon mal mit Cola ueberschuettet. Auch ohne Blut ein riesen Spass (wir haben keine Cola abbekommen).

Am Sonntag war ich noch in der Zona Sur (einem Stadtteil von La Paz) , wo die Auslaender und reichen Bolivianer leben. Im Zentrum von La Paz war ich der Reiche, der immer angeglotzt wurde. In der Zona Sur war ich dann auf einmal wieder der Arme und habe selbst geklotzt. Z. B. auf die dicken Villen und auf das Nutella im Supermarkt und die ganzen anderen "Westprodukte", die ich so lange nicht mehr gesehen habe, die es dort aber gibt. Zuerst wollte ich mir das Nutella kaufen fuer 2,90 Euro, was fuer ein importiertes Produkt ja nicht so teuer ist, dann habe ich mir aber gedacht, dass ich dafuer eine Nacht im Hotel bezahlen kann und habs gelassen.
Auf der Strasse hoert man ploetzlich Deutsch sprechende Menschen und sieht die dicksten Mercedes und BMW. Ein ziehmlicher Kontrast zu La Paz Downtowne

Die Anschnorrmethoden werden auch immer ausgefallener. Letztens musste ich mir von Miguel erst eine Geschichte ueber Terre des Hommes, Heidelberg und Operation anhoeren, dann musste ich mir einen Brief eines deutschen Pfarres in La Paz durchlesen und schliesslich sollte ich Blut spenden. Da ich aber kein B+ habe, wollte er dann doch wieder nur Geld.
Manche Typen sind hier echt arm dran. Da es vom Staat keinerlei Unterstuetzung gibt, muss jeder irgendwie versuchen, an Geld zu kommen. So sieht man z. B. einen Mann, der keine Hende mehr hat, aber trotzdem versucht, Floete zu spielen. Oder eine winzige Frau, die ihren vielleicht 20 jaehrigen Sohn, der keien Beine mehr hat, mit einem Tuch auf den Ruecken gebunden hat (so tragen die Frauen hier alle ihre Kinder, aber eigentlich nur die kleinen) und mit einer Tasse Geld sammelt.
Auf die Dauer ist diese ganze Armut echt belastend.

Vieles laeuft hier natuerlich anders als bei uns, ueber vieles ist man erst Mal verwundert, wenn man aber mal drueber nachdenkt, kann man oft schon zu dem Schluss kommen: warum nicht, geht ja auch so.
Es gibt aber zwei Dinge, die gar nicht gehen. Zum einen diese elektrischen Duschen. In Ecuador sind ja schon mal die Kabel ueber mir durchgeschmorrt; hier hatte ich mich schon fast daran gewoehnt, dass man immer einen gewischt bekommt, wenn man den Hahn auf oder zu dreht. In meinem letzten Hotel habe ich dann aber einen gewischt bekommen, als ich das Wasser zu nah am Dusxchkopf beruehrt habe. Die Sicherung, die es ogar gab, ist dabei nicht rausgeflogen, keine Ahnung was dafuer passieren muss. Wasser und Strom geht einfach gar nicht.
Eine zweite Sache, die gar nicht geht ist, dass es hier ueberall nach Pisse stinkt, weil die Leute ueberall hinpissen. In La Paz habe ich noch zu jemandem gesagt, dass ich komischer Weise  noch nie jemanden beim pissen gesehen habe. Seit diese Worte ueber meine Lippen gekommen sind, sehe ich staendig Leute urinieren, egal ob Tag oder Nacht, auf offener Strasse. Es STINKT einfach ekelhaft. Man sieht hier auch oft Schilder, dass pinkeln verboten ist, aber wie mit so vielen Schildern hier, stoerrt sich niemand dran.

Cochabamba ist wirkt komplett anders als La Paz, nicht so wuselig aber reicher und die Menschen scheinen aufgeschlossener und froehlicher. Vielleicht liegt das an dem waermeren Klima.
Auch das Nachleben ist hier deutlich besser. Am Samstag war ich mit einem Argentinier aus Buenos Aires in einer Disse. Ich weiss nicht, ob es fuer die Frauen hier einen Dresscode gab, aber ich habe noch nie so viele Frauen in Minirock und Stiefeln gesehen und alle haben auf dem Tresen getanzt.
Der Caipirinha kostete nur einen Euro, genauso wie 625 ml Bier. Und so ist der Abend dann auch geendet. Die Disse hiess Amnesia und das war auch mein Motto fuer den Sonntag. Eigentlich wollte ich den Argentinier in Buenos Aires besuchen, ich habe es aber natuerlich nicht mehr gescheckt, mir die Mailadresse aufzuschreiben; auch an den Namen kann ich mich nicht mehr erinnern.
In den Bars oder Cafes von La Paz sah man fast nur Turisten, hier waren fast nur Einheimische.

Nach vier Monaten bin ich jetzt mal auf die Idee gekommen, im Internetcafe 1live zu hoeren. Es ist schon komisch hier zu erfahren, dass es zwischen Overath und Engelskirchen Stau gibt, aber es ist schoen, ein Stueckchen vertraute Heimat im Ohr zu haben.

In La Paz habe ich mir noch eine DVD mit mp3s gekauft, aktuelle Hits hier aus Suedamerika. Natuerlich selbstgebrannt und illegal. Der Typ der die DVD gemacht hat, war aber noch so unverschaemt, auf das Cover zu schreiben, dass er sich die Rechte an der DVD vorbehaelt :-)

Morgen nehme ich dann den Nachtbus nach Sucre, der Hauptstadt Boliviens und einer der schoensten Staedte Suedamerikas. Ich bin gespannt.

Saludos carinos,

                              Sebastian
 

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